Projekt „Demokratie Space“Vereine in Köln-Kalk können Räume kostenlos mieten

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Vor dem Ladengeschäft auf der Kalker Hauptsraße: Elizaveta Khan, Rob Madic, Vinz Lanzarotta (v.l.)

Köln-Kalk – „Widerstand“, „Egalité“, „Solidarity“ steht fett in den Schaufenstern, daneben Begriffe wie „Androgynous“, „Transsexualidad“, oder „Bisexulanosc“ – man muss nicht alle Sprachen verstehen, um zu wissen, was gemeint ist. Dann sind da noch arabische und asiatische Schriftzeichen, deren Bedeutung wohl in eine ähnliche Richtung gehen dürfte: An der Ecke Kalker Hauptstraße/Neuerburgstraße wird erkennbar zum politischen Engagement, aber auch zur Offenheit für andere Kulturen und sexuelle Orientierungen aufgefordert. „Für alle, die für alle sind“ ist sicherheitshalber noch einmal in ganz großen Lettern über den Fenstern zu lesen.

„Damit haben wir natürlich bestimmte Gruppen bewusst ausgeschlossen“,  Elizaveta Khan. Eben jene, die der „Demokratisierung des Abendlandes“, wie die Geschäftsführerin des Integrationshauses schmunzelnd erklärt, durch Fremdenfeindlichkeit, Rassismus oder generell mit der Ablehnung andersdenkender oder andersliebender Menschen im Wege stünden. Alle übrigen seien beim neuen Projekt „Demokratie Space“ des Integrationshauses in der Kalker Hauptstraße 170 an der richtigen Adresse: Gruppen, Initiativen, Vereine, die sich politisch oder gesellschaftlich engagieren können hier demnächst kostenlos und ohne Konsumzwang Räume anmieten.

Ab Juli können sich Gruppen treffen

„Auch in öffentlichen Einrichtungen müssen solche Gruppen meist Miete zahlen, und in Kneipen muss man etwas bestellen – oft können sich das die Gruppen einfach nicht leisten“, sagt Khan. Und trotz der Verbreitung von Video-Konferenzen in Corona-Zeiten habe sich gezeigt, dass das persönliche Gespräch, die Nähe zu Gleichgesinnten nicht zu ersetzen sei – das werde spätestens dann deutlich, wenn Plakate für die nächste Demo gemalt werden müssen.

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Das  Ladengeschäft ist umgebaut worden und bietet Platz für Vereine und Initiativen

Im April hatte das Integrationshaus die ehemaligen Ladenräume eines Kabelnetzwerkbetreibers angemietet. Khan hofft, dass sich hier ab Juli, wenn sich die Corona-Lage weiter entspannt hat, Gruppen treffen können. „Wir werden auf der Homepage des Integrationshauses einen Kalender einrichten, auf dem man seine Termine eintragen kann.“ Der Schlüssel könne dann jeweils zu den Öffnungszeiten des In-Haues um die Ecke am Ottmar-Pohl-Platz abgeholt und auch wieder abgegeben werden. Bislang hätten schon Fridays für Future und ein Seniorennetzwerk Interesse angemeldet.

Respektvolles Miteinander  

Um Neulingen die Regeln nahe zu bringen, hängt die „Queer Constitution“ - die „Verfassung“ des „Demokratie Space“ – ganz groß an der Wand. Jede Person müsse hier mit Respekt, Würde, Höflichkeit und Freundlichkeit behandelt werden, steht dort, jegliche Art von Diskriminierung oder Aggression habe zu unterbleiben. Sogar das Recht auf die Wahl des ihnen genehmen Pronomens – „er“ oder „sie“ beispielsweise – haben die Besucher hier. Das ist nicht zufällig so, denn ein wichtiger Partner des „I-Hauses“ beim neuen Projekt ist „Spektrum“, eine selbst organisierte Jugendgruppe für queere Menschen. Für Menschen also, deren sexuelle Identität auf irgendeine Weise von der heterosexuellen Norm abweicht.

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Rob Madic von „Spektrum“ bietet schon seit einiger Zeit ehrenamtliche  Sprechstunden im I-Haus an und erzählt: „Oft kommen Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund, die auch noch arbeitslos sind und von ihrer Community ausgegrenzt werden, die also viele Probleme gleichzeitig haben.“ Hier würden sie beraten, gegebenenfalls an andere Stellen vermittelt. Aber hier soll auch ein queerer Treffpunkt entstehen: „Sobald es die Situation erlaubt, werden wir auch wieder Aktivitäten wie Spiele-, Koch- und oder Filmabende organisieren“, so Vinz Lanzarotta. „Wir führen auch kleinere Kurse durch, etwa zu Power-Point Präsentationen, die das Selbstvertrauen stärken.“

Damit sich die Rat oder Geselligkeit suchenden Bürger sicher fühlen, sind die Schaufenster fast blickdicht mit den eingangs erwähnten Schlagworten beklebt, zudem können die Gespräche im Inneren hinter spanischen Wänden geführt werden. „Man kann hier auch nicht so einfach herein kommen, eine vorherige Anmeldung per E-Mail ist notwendig“, so Madic.

Gefördert durch das Land NRW

Über die Förderung von „Spektrum“ durch das Ministerium für Kinder, Familie, Flucht und Integration NRW wird auch ein Großteil der Miete finanziert. „Erst mal haben wir einen Vertrag über ein Jahr abgeschlossen, der Eigentümer will abwarten, wie das läuft“, berichtet Elizaveta Khan. Aber sie ist froh, dass die „Demokratisierung des Abendlandes“ nun direkt an der belebten Kalker Hauptstraße vorangetrieben werden kann. „Ist doch toll, wenn künftig hier Seniorennetzwerke dieselben Räume nutzen wie queere Jugendliche. Dann sehen alle, dass die anderen ganz normal sind und auch zur Gesellschaft dazu gehören.“

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